Karpfenangeln im Frühling

Länger werdende Tage, die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut, Vogelgezwitscher und die erwachende Natur in einem satten Grün – was bedeutet für euch Frühling?
In der Jahreszeit in der alles zum Leben zu erwachen scheint, kommen auch wir so langsam aus der Winterlethargie. Wenn man an den ersten schönen Wochenenden nach Draußen geht, sieht man, dass wohl jeder diesen Drang verspürt, nach Draußen ins Freie zu kommen. Und obwohl die wärmenden Frühlingssonne noch nicht die Kraft hat die Welt Unterwasser gänzlich zu erwärmen, reicht es zumindest für die Uferbereiche und flachen Stellen. Das bleibt auch den Fischen nicht verborgen und mit den länger werdenden Tagen, werden auch sie wieder aktiver. Dabei genießen sie die Sonne ebenso wie wir und halten sich gerne in den wärmeren Bereichen auf. Die Saison ist noch jung und oft scheinen die Karpfen jetzt neugieriger zu sein wie im übrigen Jahr. Durch die niedrigen Wassertemperaturen läuft der Stoffwechsel wie auch der Hunger der wechselwarmen Tiere meist noch auf Sparflamme. Ideale Bedingungen Neues zu erkunden und aktiv zu Angeln! Und genau das wollte ich tun. Meine Reiselust brachte mich schließlich sogar dazu, das kalte Österreich hinter mir zu lassen und ich fuhr Richtung Süden, der Sonne entgegen, nach Frankreich.

Bei bestem Wetter kam ich schließlich nach langer Fahrt endlich am Zielgewässer an. Ein kleiner Baggersee mit viel Kraut, glasklarem Wasser und mit der Chance auf einige wunderschön gezeichnete Fische sollte es für die nächsten Tage sein. Es war bereits einiges am See los und ich beschloss nicht voreilig einen Platz zu beziehen, sondern erst nach einer Runde um den See und ausgiebiger Stellensuche vom Land und zu Wasser. Gesagt, getan! Und nach einem halben Tag rumfahren, laufen und einigen Gesprächen mit den anderen Anglern entschied ich mich schließlich für eine Seite des Sees. Als ich gerade mit dem Boot an der anvisierten Stelle anlanden wollte, merkte ich, dass genau dort gerade jemand mit dem Aufbauen anfing. Mist! Jetzt schnell zum zweiten interessanten Platz, bevor noch jemandem einfällt, dorthin zu gehen. Denn die letzten Tage wurde scheinbar überall nur wenige, halbstarke Fische gefangen. Zu meiner Erleichterung war an der neuen Stelle aber niemand und ich konnte meine kleine Behausung für die nächsten Tage aufstellen. Sicherlich kenn jeder dieses wunderbare Gefühl des zur Ruhe Kommens, wenn man nach langer Fahrt und allen möglichen Strapazen, endlich angekommen ist.

Ich entschied mich, passend zur Jahreszeit, nur sehr wenig Futter einzusetzen, dafür aber mit reichlich löslichen Stoffen und flüssigen Attraktoren zu arbeiten. Auch farblich wollte ich sowohl Futter als auch Köder deutlich vom Untergrund abheben und jede der Ruten als „kleine Falle“ im See verteilen. Da die Struktur des Sees viele markante Punkte besitzt, wollte ich unterschiedliche Bereiche ausprobieren, solange bis ich schließlich die Standorte der Fische besser eingrenzen konnte.
Früh Morgens am nächsten Tag legte ich die Ruten. Es war immer noch sehr warm, aber nicht mehr sonnig, sondern eher bewölkt und einer leichter Wind wehte – perfekt! Bei Kaffee und Croissants konnte ich sogar noch einen Fisch ganz nahe an einer meiner abgelegten Montagen springen sehen, was mich absolut zuversichtlich stimmte. Gegen Mittag flaute der Wind aber wieder ab, die Wolken verzogen sich und die Sonne brannte vom Himmel. Ententeichwetter vom Feinsten! Auch im Laufe des Nachmittags tat sich nichts und ich döste bei der Hitze am Ufer langsam ein.

Unsanft wurde ich durch einige Töne von meinem Delkim geweckt. Ungläubig schaute ich Richtung Ruten und sah wie mein linker Bobbin wackelte, nur um im nächsten Moment hoch an den Blank zu knallen und dann nach vorne gegen den Bissanzeiger zu raßen. Läuft ab! Routiniert schnappte ich mir die Rute und machte mich mit dem Boot auf in Richtung Fisch. Immer wieder steckte er im Kraut fest und meine 10ft 3lbs FBC musste ganz schön arbeiten, um ihn ein ums anderen Mal da wieder rauszuholen. Aber schließlich war es geschafft und die Maschen schlossen sich um einen guten Spiegler. Meine Taktik ging also auf und der Urlaub war damit offiziell gestartet.

Am zweiten Tag legte ich zwei der aktionslosen Ruten um, damit ich mehrere potentiell gute Stellen ausprobieren konnte. Trotzdem war es wieder die gleiche Rute, die wenig später einen kleinen Schuppi produzierte. Man konnte sagen, jetzt läuft es richtig an.
Am späten Nachmittag dann die nächste Aktion, diesmal auf der Rute mitten im See. Der Fisch machte ungewöhnlich viel Druck und stand trotz des eher seichten Wassers stets fest am Grund. Dort zog er gemächlich seine Bahnen und ich folgte ihm mit dem Boot, halb durch Motorkraft und halb vom Fisch hinterher gezogen. Ziemlich verdächtig. Als er sich das erste Mal der Oberfläche näherte sah ich eine helle Flanke – doch kein Wels! Zur Sicherheit machte ich die Bremse sofort wieder einen Ticken lockerer, da der Fisch wieder nach unten wollte. Die Rute federte die Fluchten und starken Kopfstöße gut weg. Allmählich wurden die Fluchten aber kürzer und der Karpfen durchbrach noch ein zwei Mal die Wasseroberfläche, bevor ich dann einen ersten Kescherversuch starten konnte. Der misslang jedoch und der Fisch setzte wieder zum Sprint an, die Rutenspitze klebte die ganze Zeit förmlich an der Wasseroberfläche. Beim zweiten Anlauf gelang es dann aber und ich konnte den massiven Spiegler sicher einnetzen. Darauf folgte ein Fotoshooting im Wasser bei der tief stehenden, französischen Frühlingssonne. Gibt es etwas Besseres?

Die nächsten Tage konnte ich auf diese Weise noch einige weitere, kleinere Fische fangen und beobachtete mit Erstaunen, wie jeden Tag der Marker der gegenüberliegenden Angler ein Stück näher in meine Richtung zu wandern schien. Am fünften Tag fand meine Session jedoch ein jähes Ende. Schon früh Morgens im Dunkeln hörte ich einige Autos in unmittelbarer Nähe zu mir, Autotüren schlugen zu und Menschen redeten eifrig. Es wurde unruhig am See. Als ich nachsah wo der Lärm herkommt, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Überall standen Autos von Anglern, es wurden unzählige Boote und Kajaks vorbereitet oder Equipment verladen. Ohne jeden Zweifel musste die Raubfischsaison wohl genau heute starten. Überwältigt von dieser Übermacht, die da gerade den See überrannte, beschloss ich meine sieben Sachen zu packen und schnellstmöglich das Weite zu suchen. An Angeln war nicht mehr zu denken, zumindest nicht auf Karpfen. Um möglichen Ärger oder Diskussionen aus dem Weg zu gehen, war es wohl das vernünftigste einzupacken. Alles in allem war es ein wunderbarer Frühlingsurlaub mit ausreichend Sonne, einigen schönen Fischen und neuen Erfahrungen. Wer weiß wohin mich die nächste Reise bringt...